Modelle der Erinnerung

Modelle der Erinnerung (seit 2016)

Miniaturmodelle sind ein wichtiges Werkzeug in vielen Disziplinen. Gleichzeitig üben sie eine starke Faszination auf viele Menschen aus. Während die Praxis der Modellherstellung in fachspezifischen Anleitungen ausführlich behandelt wird, findet die Erfahrung des Miniaturisierens und die Rezeption von Modellen im akademischen Kontext kaum Beachtung. Es erscheint weitgehend selbstverständlich zu sein, warum Modelle gebaut werden und wie auf sie reagiert wird. Dieses Projekt stellt diese Selbstverständlichkeit in Frage indem es eine neue Verwendung für Modelle vorschlägt und dabei von folgender Frage ausgeht:

Können dreidimensionale Modelle als Medium der Selbstvergegenwärtigung, Schaffung und Kommunikation persönlicher Erinnerungen genutzt werden?

Dieser Frage wird am Beispiel von Erinnerungen  an ein ehemaliges Zuhause (Elternhaus oder früherer Wohnsitz) nachgegangen. Während das gängige Qualitätskriterium für Modelle im gewerblichen, wissenschaftlichen und freizeitmäßigen Bereich die Übereinstimmung mit einem überprüfbaren Gegenstand darstellt, steht hier die Verkörperung subjektiver Erinnerungen im Vordergrund. Dabei ergeben sich zwei weitere Fragen:

Wie beeinflusst der Modellbauprozess Erinnerungen (an das eigene Zuhause)?
Wie ergänzt ein Modell die verbale Erzählung (über das eigene Zuhause)?

Durch die Wahl des eigenen Zuhauses als Objekt der Rekonstruktion kommt auch dieses selbst als Thema in den Fokus. So wird schließlich auch gefragt:

Ergeben sich durch Erinnerungsmodelle neue Perspektiven auf das Konzept eines (darstellungswürdigen) Zuhauses?

Zusätzlich zur dreidimensionalen Gestaltung werden verbale Erinnerungen dokumentiert, die sich im Zuge der Arbeit einstellen. Der klassischen autobiographischen Praxis des Schreibens und Sprechens wird somit eine neue, räumliche – visuelle und atmosphärische Aspekte besonders berücksichtigende – Ausdrucksform gegenüber gestellt. Im Ergebnis sollen Erinnerungen als ein selektiver, konstruktiver und kreativer Prozess in einem neuen Format erfahrbar werden.

Flankierend wird die Arbeit im Kontext von Kunst, Philosophie und Wissenschaft verortet. Da das objektive Vorbild des Modells der Beobachtung entzogen bleibt, wird ein neues, subjektiv geprägtes, ,Modell des Modells’ erprobt. Hierbei geraten Möglichkeiten und Grenzen der materiellen Verkörperung von Gedankenbildern ebenso in den Blick wie das Verhältnis von Subjekt und Objekt in der Vermittlung von Erinnerungen. Es wird erwartet, dass sich mit dem Modell als Katalysator und Monitor von Erinnerungen weitere Anwendungs-, bzw. Forschungsperspektiven ergeben. So könnte die Methode in angepasster Form für den pädagogischen oder psychotherapeutischen Bereich (Traumaarbeit) sowie in der anthropologischen Erinnerungsforschung nutzbar gemacht werden. Der hier unmittelbar verfolgte Ansatz folgt jedoch einem künstlerisch-forschenden Interesse, in dessen Mittelpunkt die Erfahrung während des Modellbaus und der fertigen Produkte (beziehungsweise deren Zusammenschau im Rahmen einer Ausstellung) stehen.

Derzeit ist Modelle der Erinnerung ein privates Forschungsprojekt. Eine Weiterführung im institutionellen Kontext ist beabsichtigt.

Zum Stand der Arbeit
Die derzeitigen Aktivitäten fokussieren auf
• die praktische Erprobung von Modellen als Ausdruck eigener Erinnerungen
• die Bestandsaufnahme und Diskussion von Positionen und Methoden in der zeitgenössischen Kunst
• die Aufarbeitung theoretischer Hintergründe, insbesondere der Philosophie der Miniatur, Ansätze der psychologischen und anthropologischen Erinnerungsforschung sowie der Soziologie des Heimatbegriffs im Sinne des „Domestic Space“.

Umfangreiche Informationen und Texte („Working Papers“) zu dem Projekt stehen in englischer Sprache zur Verfügung. Bitte wechseln Sie hierfür zur englischsprachigen Version dieser Seite.